Aliko Dangote: Unterwegs in Nigeria mit dem reichsten Mann Afrikas - DER SPIEGEL


Aliko Dangote: Unterwegs in Nigeria mit dem reichsten Mann Afrikas - DER SPIEGEL

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Aliko Dangote (mit Mikrofon) führt eine Gruppe Parlamentarier durch seine neue Raffinerie: Spitzname »Präsident«


Der »Präsident« hat zum Abendessen geladen, mehr als 20 der wichtigsten Parlamentsabgeordneten Nigerias sind gekommen. Das Licht im Sky-Restaurant über den Dächern von Lagos ist rötlich


gedimmt, Kellner in weißen Hemden und schwarzen Westen servieren die mondänen Gerichte, viele Gäste haben ihre eigenen Fotografen mitgebracht. Auf digitalen Aufstellwänden prangt das


Firmenlogo der Dangote-Gruppe. Es ist ein Termin, typisch für Nigerias Elite: ein bisschen Protz, ein paar warme Worte, genau das Richtige für den Social-Media-Auftritt.


In Reportagen, Analysen, Fotos, Videos und Podcasts berichten wir weltweit über soziale Ungerechtigkeiten, gesellschaftliche Entwicklungen und vielversprechende Ansätze für die Lösung


globaler Probleme.


Der reichste Mann Afrikas, mit einem Vermögen von 15 Milliarden US-Dollar, sieht etwas gequält aus. Er scheint sich nicht wohlzufühlen in dieser Runde. Er trägt ein schmuckloses, einfarbiges


Gewand, selbst auf den Gruppenbildern gelingt ihm kaum ein Lächeln.


Alle hier nennen ihn den »Präsidenten«. Seine Firmengruppe ist in Nigeria mehr als nur ein Unternehmen. Sie ist eine Instanz. Dangote stellt Zement her, Zucker, Nudeln, Salz. So gut wie


jeder Haushalt in Westafrika besitzt Produkte des Konglomerats. Das Unternehmen ist der größte Steuerzahler Nigerias, einer der größten Arbeitgeber, die wichtigste Stütze der


Privatwirtschaft des Landes.


Schickes Abendessen im Panoramarestaurant mit den Abgeordneten: Ein bisschen Protz, ein paar warme Worte


Doch was Aliko Dangote an diesem Abend den versammelten Politikern präsentiert, geht darüber weit hinaus: Er hat eine Erdölraffinerie gebaut. Die Superlative der Konstruktion werden im


Hintergrund an die Wand projiziert. 20 Milliarden US-Dollar hat der Industriebetrieb gekostet, es ist die größte einzügige Ölraffinerie der Welt, ausgerechnet hier auf dem afrikanischen


Kontinent.


»Wir wollen Wertschöpfung in Afrika schaffen und nicht nur Rohstoffe exportieren«, sagt der Milliardär im Gespräch mit dem SPIEGEL. »Wir alle bei Dangote glauben an Nigeria. Wir wollen den


Kontinent stolz machen.«


Eine Erfolgsgeschichte, so soll es an diesem festlichen Abend klingen. Doch die Politiker sind nicht hier, um einen Durchbruch zu feiern. Dangote hat sie eingeladen, um sein Projekt zu


retten. Es ist eine PR-Offensive, die viel über den Zustand des Landes verrät.


Neues Öldock als Teil des Besuchsprogramms: Dangote kämpft um sein Unternehmen


Nigeria gehört zu den 15 größten Erdölproduzenten der Welt. Doch exportiert wird fast nur Rohöl, gefördert bislang vor allem von großen westlichen Konzernen. Wenn die Nigerianerinnen und


Nigerianer tanken wollen, dann bekommen sie an der Zapfsäule importiertes Benzin. Alle Versuche, Rohöl im großen Maßstab vor Ort zu verfeinern, sind bislang gescheitert. Die Wertschöpfung


findet im Ausland statt, während viele Nigerianerinnen und Nigerianer in Armut leben. Es ist ein ökonomischer Irrsinn, wie man ihn auf dem Kontinent häufiger antrifft.


Dangote will das ändern, und selbst kritische Ökonomen haben kaum Zweifel an der Sinnhaftigkeit seines Vorhabens: Eine Raffinerie im eigenen Land, das sollte den Benzinpreis langfristig


senken, Steuereinnahmen in die Staatskasse spülen. Trotzdem wächst der Widerstand gegen das Projekt.


»Viele Leute haben kein Interesse daran, dass sich das bisherige System ändert«, sagt der Generalsekretär der mächtigen Gewerkschaft der Erdölarbeiter, Lumumba Okugbawa. Experten wie


Okugbawa sind sich sicher, dass einige Mächtige in Nigeria sehr gut an den Importen von Benzin verdient haben und von den Ölfirmen geschmiert wurden. »Da ist eine Menge Korruption im Spiel.«


Die Multis auf der anderen Seite hätten ebenfalls kein Interesse daran, dass Wertschöpfung in Afrika stattfindet – es würde ihre Gewinne schmälern.


Aliko Dangote im Interview mit dem SPIEGEL: »Sie sollten uns Retter nennen«


Im Labor testen Dangotes Mitarbeiter verschiedene Treibstoffproben: Das Schicksal Afrikas mitbestimmen


Aliko Dangote spürt den Gegenwind nun heftig, seit Wochen macht die Raffinerie Negativschlagzeilen, liegt weit hinter dem Zeitplan zurück. »Wir sind durch die Hölle gegangen«, sagt er beim


Termin mit den Abgeordneten. Sein größtes Problem: Er bekommt kein Öl. Die Anlage läuft auf nicht einmal 60 Prozent ihrer Kapazität. Vor Kurzem musste der Unternehmer den Rohstoff aus den


USA und Brasilien importieren. »Das ergibt doch keinen Sinn, wir haben Öl hier in Nigeria, aber wir müssen es aus dem Ausland importieren, damit die Raffinerie läuft«, sagt Dangote im


Interview.


Der Unternehmer beschwert sich, dass die internationalen Ölfirmen ihm das nigerianische Öl überteuert verkaufen wollen, über westliche Zwischenhändler, wenn überhaupt. Der Milliardär spricht


von Sabotage: »Die Ölmultis haben vom bisherigen System lange Zeit profitiert.«


Zusätzlich hat der Milliardär nun noch ein weiteres Problem: Die Regulierungsbehörde hat ihn ins Visier genommen. Sein Diesel habe eine minderwertige Qualität, ließ sie kürzlich verlauten.


Außerdem wolle der Unternehmer ein Monopol schaffen. »Sie sollten uns nicht Monopolisten nennen, sondern Retter«, keilt Dangote zurück. Doch in Nigeria, wo Behörden das Wegschauen


professionalisiert haben, kommen solche Attacken nicht von ungefähr. Von einem Zerwürfnis mit Präsident Bola Tinubu ist in manchen Medienberichten die Rede. Sogar die Antikorruptionsbehörde


rückte vor Kurzem in Dangotes Firmensitz ein, wegen angeblich dubioser Wechselkursgeschäfte mit der Zentralbank.


Ausgerechnet Dangote, der selbst einst durch Deals mit den Mächtigen in Nigeria groß geworden ist, kämpft nun um sein Imperium. »Das ist eine Hund-frisst-Hund-Situation«, sagt der bekannte


nigerianische Anwalt und Politikanalyst Liborious Oshoma. »Dangote ist dadurch reich geworden, dass er mithilfe der Regierenden Monopole aufgebaut hat. Jetzt hat er sich offenbar verzockt.«


Ans Aufgeben denkt Dangote allerdings nicht. Stattdessen versucht er nun, zumindest die Parlamentarier auf seine Seite zu ziehen. Nach dem edlen Abendessen übernachten sie in den Suiten des


schicken Eko Hotels, einer der besten Adressen der Stadt. Am nächsten Morgen geht es früh raus: Gruppenausflug zur Düngemittelfabrik und zur Erdölraffinerie.


Dangote und seine Besucher: Je länger der Konvoi, desto wichtiger die Insassen


Die Busse sind in einem Konvoi aus mehr als 30 Fahrzeugen unterwegs: schwarze Limousinen, Polizei-Pick-ups, Motorräder. Sicherheitsleute mit Sonnenbrillen und dunklen Anzügen lehnen sich aus


den offenen Türen der Begleitfahrzeuge. Auch das ist Nigeria: Je wichtiger der Insasse, desto länger der Konvoi, ein Statussymbol. In Lagos kann man die Polizei mieten, um mit den Mächtigen


mithalten zu können.


Im persönlichen Gespräch meidet Dangote große Gesten. Er redet leise und monoton, selbst wenn er über sein Prestigeprojekt spricht. Dabei inszeniert er sich als Unternehmer, dem das


Allgemeinwohl, das Schicksal Afrikas, am Herzen liegt. Vor Kurzem erzählte der Milliardär bei einer Pressekonferenz, dass er kein Haus im Ausland besitze: »Wenn ich Anwesen im Ausland hätte,


dann könnte ich mich nicht darauf konzentrieren, für meine Landsleute zu Hause in Nigeria etwas aufzubauen.«


Im Internet kursiert seit Jahren die Geschichte, dass er aus seiner Heimat im Norden Nigerias mittellos nach Lagos gekommen sei und es dort zu Reichtum gebracht hätte, vom Tellerwäscher zum


Millionär. Doch die Erzählung stimmt so nicht ganz. Dangote stammt aus einer wohlhabenden Familie. Mit 20 Jahren kam er nach Lagos, einen Kredit über umgerechnet 5.000 Euro von seinem Onkel


in der Tasche. Er begann, mit Zement, Reis und Zucker zu handeln. Nach einem Monat zahlte er das Geld zurück, seither mehrte Dangote seinen Reichtum stetig.


Die Karawane erreicht gegen Mittag den neu gebauten Hafen im Industriegebiet. Vor zwei Jahren hat Dangote direkt nebenan eine Düngemittelfabrik errichtet, die größte Afrikas. Sie wurde als


Meilenstein gefeiert, zumal aufgrund des Ukrainekriegs importierter Dünger teurer wurde. Vom Hafen aus soll die Ware nun nach ganz Afrika verschifft werden.


Düngemittelfabrik der Dangote-Gruppe: »Die Zukunft Nigerias«


Doch an diesem Tag wirkt das Dock verwaist, ein Schiff rostet im Becken vor sich hin. Später verrät der Vizechef der Dangote-Gruppe, dass es nicht genug Erdgas gebe, um auf voller Kapazität


zu produzieren. Dabei schlummern in Nigeria riesige Vorkommen unter der Erde.


Die angereisten Abgeordneten scheinen sich eher für den großen Golfplatz auf der anderen Seite des Hafens zu interessieren. Rasch werden sie weitergeschleust, zum neuen Öldock nebenan. Dort


warten bereits Journalistinnen und Journalisten mit ihren Kameras, auch einige Social-Media-Influencer wurden eingeladen, sie sprechen schwärmende Worte in ihre iPhones. Dangote wirkt nun


zufrieden, hier draußen ist er in seinem Element, redet über Pipelinekapazitäten und Baggergrößen. Er trägt einen blauen Helm, darauf seine Initialen: A. D.


Schließlich führt er die Abgeordneten durch das Labor der neuen Raffinerie, das Highlight seiner PR-Tour. Seine Mitarbeiter untersuchen drei verschiedene Proben, die Kameras werden für


Nahaufnahmen in Stellung gebracht: Getestet werden zwei importierte Dieselsorten und Dangotes Diesel, made in Nigeria. Das Ergebnis ist wenig überraschend: Die Importprodukte fallen durch,


das eigene Produkt glänzt.


Die Politiker stellen ein paar kritische Nachfragen für die Kameras, nur um kurz darauf zu schwärmen, dass Dangote hier »die Zukunft Nigerias« errichte, nennen ihn einen »Visionär«,


versichern ihre Unterstützung. Dann lassen sie sich in ihren SUV davonchauffieren.


Dangote-Zucker: Fast jeder Haushalt in Nigeria besitzt seine Produkte


Aliko Dangote, der »Präsident«, betet unterdessen in einem unscheinbaren Raum hinter der Küche. Wenn es nach ihm ginge, sagt er, dann würde der Import von Erdöl nach Nigeria ganz gestoppt


werden. Außerdem hat er schon einen neuen Plan: eine Stahlfabrik in Nigeria. Aber das müsse nun noch etwas warten.


Unter dem Titel »Globale Gesellschaft« berichten Reporterinnen und Reporter aus Asien, Afrika, Lateinamerika und Europa über Ungerechtigkeiten in einer globalisierten Welt,


gesellschaftspolitische Herausforderungen und nachhaltige Entwicklung. Die Reportagen, Analysen, Fotostrecken, Videos und Podcasts erscheinen in einer eigenen Sektion im Auslandsressort des


SPIEGEL. Das Projekt ist langfristig angelegt und wird von der Bill & Melinda Gates Foundation (BMGF) unterstützt.


Eine ausführliche FAQ mit Fragen und Antworten zum Projekt finden Sie hier.


Die Bill & Melinda Gates Foundation (BMGF) unterstützt das Projekt seit 2019 für zunächst drei Jahre mit einer Gesamtsumme von rund 2,3 Millionen Euro – rund 760.000 Euro pro Jahr. 2021


wurde das Projekt zu gleichen Konditionen um knapp dreieinhalb Jahre bis Frühjahr 2025 verlängert.


Ja. Die redaktionellen Inhalte entstehen ohne Einfluss durch die Gates-Stiftung.


Ja. Große europäische Medien wie »The Guardian« und »El País« haben mit »Global Development« beziehungsweise »Planeta Futuro« ähnliche Sektionen auf ihren Nachrichtenseiten mit Unterstützung


der Gates-Stiftung aufgebaut.


Die Stücke sind beim SPIEGEL zu finden auf der Themenseite Globale Gesellschaft .


Aliko Dangote (mit Mikrofon) führt eine Gruppe Parlamentarier durch seine neue Raffinerie: Spitzname »Präsident«


Schickes Abendessen im Panoramarestaurant mit den Abgeordneten: Ein bisschen Protz, ein paar warme Worte


Neues Öldock als Teil des Besuchsprogramms: Dangote kämpft um sein Unternehmen


Aliko Dangote im Interview mit dem SPIEGEL: »Sie sollten uns Retter nennen«


Im Labor testen Dangotes Mitarbeiter verschiedene Treibstoffproben: Das Schicksal Afrikas mitbestimmen


Dangote und seine Besucher: Je länger der Konvoi, desto wichtiger die Insassen


Düngemittelfabrik der Dangote-Gruppe: »Die Zukunft Nigerias«


Dangote-Zucker: Fast jeder Haushalt in Nigeria besitzt seine Produkte