Aliko dangote: unterwegs in nigeria mit dem reichsten mann afrikas
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------------------------- * * * X.com * Facebook * E-Mail * * * X.com * Facebook * E-Mail * Messenger * WhatsApp * _Gegrillte Tiger-Garnelen_ _Ochsenschwanz-Curry_ _Entenbrust mit
Teriyaki-Sauce_ _Norwegischer Lachs_ Der »Präsident« hat zum Abendessen geladen, mehr als 20 der wichtigsten Parlamentsabgeordneten Nigerias sind gekommen. Das Licht im Sky-Restaurant über
den Dächern von Lagos ist rötlich gedimmt, Kellner in weißen Hemden und schwarzen Westen servieren die mondänen Gerichte, viele Gäste haben ihre eigenen Fotografen mitgebracht. Auf digitalen
Aufstellwänden prangt das Firmenlogo der Dangote-Gruppe. Es ist ein Termin, typisch für Nigerias Elite: ein bisschen Protz, ein paar warme Worte, genau das Richtige für den
Social-Media-Auftritt. Der reichste Mann Afrikas, mit einem Vermögen von 15 Milliarden US-Dollar, sieht etwas gequält aus. Er scheint sich nicht wohlzufühlen in dieser Runde. Er trägt ein
schmuckloses, einfarbiges Gewand, selbst auf den Gruppenbildern gelingt ihm kaum ein Lächeln. Alle hier nennen ihn den »Präsidenten«. Seine Firmengruppe ist in Nigeria mehr als nur ein
Unternehmen. Sie ist eine Instanz. Dangote stellt Zement her, Zucker, Nudeln, Salz. So gut wie jeder Haushalt in Westafrika besitzt Produkte des Konglomerats. Das Unternehmen ist der größte
Steuerzahler Nigerias, einer der größten Arbeitgeber, die wichtigste Stütze der Privatwirtschaft des Landes. Doch was Aliko Dangote an diesem Abend den versammelten Politikern präsentiert,
geht darüber weit hinaus: Er hat eine Erdölraffinerie gebaut. Die Superlative der Konstruktion werden im Hintergrund an die Wand projiziert. 20 Milliarden US-Dollar hat der Industriebetrieb
gekostet, es ist die größte einzügige Ölraffinerie der Welt, ausgerechnet hier auf dem afrikanischen Kontinent. »Wir wollen Wertschöpfung in Afrika schaffen und nicht nur Rohstoffe
exportieren«, sagt der Milliardär im Gespräch mit dem SPIEGEL. »Wir alle bei Dangote glauben an Nigeria. Wir wollen den Kontinent stolz machen.« Eine Erfolgsgeschichte, so soll es an diesem
festlichen Abend klingen. Doch die Politiker sind nicht hier, um einen Durchbruch zu feiern. Dangote hat sie eingeladen, um sein Projekt zu retten. Es ist eine PR-Offensive, die viel über
den Zustand des Landes verrät. Nigeria gehört zu den 15 größten Erdölproduzenten der Welt. Doch exportiert wird fast nur Rohöl, gefördert bislang vor allem von großen westlichen Konzernen.
Wenn die Nigerianerinnen und Nigerianer tanken wollen, dann bekommen sie an der Zapfsäule importiertes Benzin. Alle Versuche, Rohöl im großen Maßstab vor Ort zu verfeinern, sind bislang
gescheitert. Die Wertschöpfung findet im Ausland statt, während viele Nigerianerinnen und Nigerianer in Armut leben. Es ist ein ökonomischer Irrsinn, wie man ihn auf dem Kontinent häufiger
antrifft. Dangote will das ändern, und selbst kritische Ökonomen haben kaum Zweifel an der Sinnhaftigkeit seines Vorhabens: Eine Raffinerie im eigenen Land, das sollte den Benzinpreis
langfristig senken, Steuereinnahmen in die Staatskasse spülen. Trotzdem wächst der Widerstand gegen das Projekt. »Viele Leute haben kein Interesse daran, dass sich das bisherige System
ändert«, sagt der Generalsekretär der mächtigen Gewerkschaft der Erdölarbeiter, Lumumba Okugbawa. Experten wie Okugbawa sind sich sicher, dass einige Mächtige in Nigeria sehr gut an den
Importen von Benzin verdient haben und von den Ölfirmen geschmiert wurden. »Da ist eine Menge Korruption im Spiel.« Die Multis auf der anderen Seite hätten ebenfalls kein Interesse daran,
dass Wertschöpfung in Afrika stattfindet – es würde ihre Gewinne schmälern. Aliko Dangote spürt den Gegenwind nun heftig, seit Wochen macht die Raffinerie Negativschlagzeilen, liegt weit
hinter dem Zeitplan zurück. »Wir sind durch die Hölle gegangen«, sagt er beim Termin mit den Abgeordneten. Sein größtes Problem: Er bekommt kein Öl. Die Anlage läuft auf nicht einmal 60
Prozent ihrer Kapazität. Vor Kurzem musste der Unternehmer den Rohstoff aus den USA und Brasilien importieren. »Das ergibt doch keinen Sinn, wir haben Öl hier in Nigeria, aber wir müssen es
aus dem Ausland importieren, damit die Raffinerie läuft«, sagt Dangote im Interview. Der Unternehmer beschwert sich, dass die internationalen Ölfirmen ihm das nigerianische Öl überteuert
verkaufen wollen, über westliche Zwischenhändler, wenn überhaupt. Der Milliardär spricht von Sabotage: »Die Ölmultis haben vom bisherigen System lange Zeit profitiert.« Zusätzlich hat der
Milliardär nun noch ein weiteres Problem: Die Regulierungsbehörde hat ihn ins Visier genommen. Sein Diesel habe eine minderwertige Qualität, ließ sie kürzlich verlauten. Außerdem wolle der
Unternehmer ein Monopol schaffen. »Sie sollten uns nicht Monopolisten nennen, sondern Retter«, keilt Dangote zurück. Doch in Nigeria, wo Behörden das Wegschauen professionalisiert haben,
kommen solche Attacken nicht von ungefähr. Von einem Zerwürfnis mit Präsident Bola Tinubu ist in manchen Medienberichten die Rede. Sogar die Antikorruptionsbehörde rückte vor Kurzem in
Dangotes Firmensitz ein, wegen angeblich dubioser Wechselkursgeschäfte mit der Zentralbank. Ausgerechnet Dangote, der selbst einst durch Deals mit den Mächtigen in Nigeria groß geworden ist,
kämpft nun um sein Imperium. »Das ist eine Hund-frisst-Hund-Situation«, sagt der bekannte nigerianische Anwalt und Politikanalyst Liborious Oshoma. »Dangote ist dadurch reich geworden, dass
er mithilfe der Regierenden Monopole aufgebaut hat. Jetzt hat er sich offenbar verzockt.« Ans Aufgeben denkt Dangote allerdings nicht. Stattdessen versucht er nun, zumindest die
Parlamentarier auf seine Seite zu ziehen. Nach dem edlen Abendessen übernachten sie in den Suiten des schicken Eko Hotels, einer der besten Adressen der Stadt. Am nächsten Morgen geht es
früh raus: Gruppenausflug zur Düngemittelfabrik und zur Erdölraffinerie. Die Busse sind in einem Konvoi aus mehr als 30 Fahrzeugen unterwegs: schwarze Limousinen, Polizei-Pick-ups,
Motorräder. Sicherheitsleute mit Sonnenbrillen und dunklen Anzügen lehnen sich aus den offenen Türen der Begleitfahrzeuge. Auch das ist Nigeria: Je wichtiger der Insasse, desto länger der
Konvoi, ein Statussymbol. In Lagos kann man die Polizei mieten, um mit den Mächtigen mithalten zu können. Im persönlichen Gespräch meidet Dangote große Gesten. Er redet leise und monoton,
selbst wenn er über sein Prestigeprojekt spricht. Dabei inszeniert er sich als Unternehmer, dem das Allgemeinwohl, das Schicksal Afrikas, am Herzen liegt. Vor Kurzem erzählte der Milliardär
bei einer Pressekonferenz, dass er kein Haus im Ausland besitze: »Wenn ich Anwesen im Ausland hätte, dann könnte ich mich nicht darauf konzentrieren, für meine Landsleute zu Hause in Nigeria
etwas aufzubauen.« Im Internet kursiert seit Jahren die Geschichte, dass er aus seiner Heimat im Norden Nigerias mittellos nach Lagos gekommen sei und es dort zu Reichtum gebracht hätte,
vom Tellerwäscher zum Millionär. Doch die Erzählung stimmt so nicht ganz. Dangote stammt aus einer wohlhabenden Familie. Mit 20 Jahren kam er nach Lagos, einen Kredit über umgerechnet 5.000
Euro von seinem Onkel in der Tasche. Er begann, mit Zement, Reis und Zucker zu handeln. Nach einem Monat zahlte er das Geld zurück, seither mehrte Dangote seinen Reichtum stetig. Die
Karawane erreicht gegen Mittag den neu gebauten Hafen im Industriegebiet. Vor zwei Jahren hat Dangote direkt nebenan eine Düngemittelfabrik errichtet, die größte Afrikas. Sie wurde als
Meilenstein gefeiert, zumal aufgrund des Ukrainekriegs importierter Dünger teurer wurde. Vom Hafen aus soll die Ware nun nach ganz Afrika verschifft werden. Doch an diesem Tag wirkt das Dock
verwaist, ein Schiff rostet im Becken vor sich hin. Später verrät der Vizechef der Dangote-Gruppe, dass es nicht genug Erdgas gebe, um auf voller Kapazität zu produzieren. Dabei schlummern
in Nigeria riesige Vorkommen unter der Erde. Die angereisten Abgeordneten scheinen sich eher für den großen Golfplatz auf der anderen Seite des Hafens zu interessieren. Rasch werden sie
weitergeschleust, zum neuen Öldock nebenan. Dort warten bereits Journalistinnen und Journalisten mit ihren Kameras, auch einige Social-Media-Influencer wurden eingeladen, sie sprechen
schwärmende Worte in ihre iPhones. Dangote wirkt nun zufrieden, hier draußen ist er in seinem Element, redet über Pipelinekapazitäten und Baggergrößen. Er trägt einen blauen Helm, darauf
seine Initialen: A. D. Schließlich führt er die Abgeordneten durch das Labor der neuen Raffinerie, das Highlight seiner PR-Tour. Seine Mitarbeiter untersuchen drei verschiedene Proben, die
Kameras werden für Nahaufnahmen in Stellung gebracht: Getestet werden zwei importierte Dieselsorten und Dangotes Diesel, made in Nigeria. Das Ergebnis ist wenig überraschend: Die
Importprodukte fallen durch, das eigene Produkt glänzt. Die Politiker stellen ein paar kritische Nachfragen für die Kameras, nur um kurz darauf zu schwärmen, dass Dangote hier »die Zukunft
Nigerias« errichte, nennen ihn einen »Visionär«, versichern ihre Unterstützung. Dann lassen sie sich in ihren SUV davonchauffieren. Aliko Dangote, der »Präsident«, betet unterdessen in einem
unscheinbaren Raum hinter der Küche. Wenn es nach ihm ginge, sagt er, dann würde der Import von Erdöl nach Nigeria ganz gestoppt werden. Außerdem hat er schon einen neuen Plan: eine
Stahlfabrik in Nigeria. Aber das müsse nun noch etwas warten. DIESER BEITRAG GEHÖRT ZUM PROJEKT GLOBALE GESELLSCHAFT Unter dem Titel »Globale Gesellschaft« berichten Reporterinnen und
Reporter aus ASIEN, AFRIKA, LATEINAMERIKA UND EUROPA über Ungerechtigkeiten in einer globalisierten Welt, gesellschaftspolitische Herausforderungen und nachhaltige Entwicklung. Die
Reportagen, Analysen, Fotostrecken, Videos und Podcasts erscheinen in einer eigenen Sektion im Auslandsressort des SPIEGEL. Das Projekt ist langfristig angelegt und wird von der Bill &
Melinda Gates Foundation (BMGF) unterstützt. Eine ausführliche FAQ mit Fragen und Antworten zum Projekt finden Sie hier. Die Bill & Melinda Gates Foundation (BMGF) unterstützt das
Projekt seit 2019 für zunächst drei Jahre mit einer Gesamtsumme von rund 2,3 Millionen Euro – rund 760.000 Euro pro Jahr. 2021 wurde das Projekt zu gleichen Konditionen um knapp dreieinhalb
Jahre bis Frühjahr 2025 verlängert. Ja. Die redaktionellen Inhalte entstehen ohne Einfluss durch die Gates-Stiftung. Ja. Große europäische Medien wie »The Guardian« und »El País« haben mit
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bereits zwei Projekte mit dem European Journalism Centre (EJC) und der Unterstützung der Bill & Melinda Gates Foundation umgesetzt: die »Expedition ÜberMorgen « über globale
Nachhaltigkeitsziele sowie das journalistische Flüchtlingsprojekt »The New Arrivals «, in deren Rahmen mehrere preisgekrönte Multimediareportagen zu den Themen Migration und Flucht
entstanden sind. Die Stücke sind beim SPIEGEL zu finden auf der Themenseite Globale Gesellschaft .