Frankreich: Ein toter Teenager, 150 Festnahmen und die Verzweiflung eines Rettungssanitäters - DER SPIEGEL
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Bei gewaltsamen Protesten in Frankreich sind in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag 150 Menschen festgenommen worden. Nach Angaben des Innenministers seien Rathäuser, Schulen und
Polizeistationen in Brand gesetzt oder angegriffen worden. Auslöser der Gewalt war der tödliche Schuss eines Polizisten auf einen 17-Jährigen im Pariser Vorort Nanterre.
Ein mittlerweile verifiziertes Amateurvideo zeigt den Vorfall. Der Jugendliche soll bei einer Polizeikontrolle einer Aufforderung, sein Auto anzuhalten, nicht nachgekommen sein. Einer der
Beamten schoss durch das Fenster. Nahel M. erlag später seinen Verletzungen. Ein weiteres Amateurvideo zeigt, wie ein Rettungssanitäter später seiner Wut gegenüber Polizeibeamten Luft macht,
die den Krankenwagen begleitet hatten.
Sanitäter:»Ihr werdet sehen, wie das hier heute Abend alles aufwacht. Wenn ihr gerade eingeschlafen seid, wird Nanterre aufwachen. Er ist 19 Jahre alt (Anmerkung der Redaktion: Nahel M.
war17 Jahre alt). Du siehst, dass er ein kindliches Gesicht hat. Alles wegen eines kleinen Fehlers im Führerschein, Bruder. Meine Kollegen waren dabei. Ich kenne den Kleinen, ich habe ihn
aufwachsen sehen. Seine Mutter lebt ganz allein, sein Vater hat sie verlassen, sie erleidet Höllenqualen. Sie ist jetzt ganz allein wegen eines kleinen Führerscheinfehlers.«
Der französische Präsident Emmanuel Macron bezeichnete den tödlichen Vorfall als »unverzeihlich«, Frankreichs Innenminister Gérald Darmanin nannte ihn »extrem schockierend«.
Premierministerin Elisabeth Borne übte scharfe Kritik am Vorgehen der Polizisten.
Elisabeth Borne, Französische Premierministerin»Heute gibt es Schock, Trauer, Wut, und es ist Aufgabe der Gerichte, darauf zu antworten. Ich bin mir des täglichen Engagements unserer
Polizeibeamten und Gendarmen im Einsatz bewusst. Sie wissen, dass das Tragen der Uniform eine Verpflichtung bedeutet, mit gutem Beispiel voranzugehen. Die schockierenden Bilder, die gestern
ausgestrahlt wurden, zeigen ein Verhalten, das eindeutig nicht mit den Einsatzregeln unserer Polizeibeamten übereinstimmt.«
In Nanterre soll am Donnerstagnachmittag ein Trauermarsch für den Jugendlichen Nahel M. stattfinden, zu dem seine Mutter aufgerufen hat. Im vergangenen Jahr sind in Frankreich 13 Menschen
bei Polizeikontrollen getötet worden.