Kampf gegen die 'Ndrangheta: Polizei nimmt Hunderte Mafiosi fest - DER SPIEGEL


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"Maxi-Blitz" in Italien: Neue Erkenntnis über die innere Struktur der 'Ndrangheta


Rom - Das Aufgebot war beträchtlich: 3000 Carabinieri und Polizisten haben die italienischen Anti-Mafia-Kämpfer für den Schlag gegen die kalabrische 'Ndrangheta eingesetzt. Mit Erfolg: Mehr


als 300 mutmaßliche Mafiosi gingen den Fahndern ins Netz, darunter der Leiter der örtlichen Gesundheitsbehörde in Pavia, Carlo Antonio Chiriaco, der Bauunternehmer Francesco Bertucca sowie


der Biologe und Unternehmer Rocco Coluccio aus Novara.


Alle drei sollen seit Jahren für die 'Ndrangheta im Norden tätig sein, für die "La Lombardia", die innerhalb der Organisation zunehmend an Bedeutung gewinnt. Die Liste der Delikte, die ihnen


vorgeworfen werden, ist lang: Es geht um die Zugehörigkeit zu einer Mafia-Gruppierung, aber auch um Mord, Erpressung, Geldwäsche, Drogen- und Waffenhandel.


Die 'Ndrangheta gilt derzeit als mächtigste Mafia-Gruppierung in Europa. Das Eurispes-Institut schätzt, dass die Kalabresen mit Drogen- und Waffenhandel, Prostitution und Erpressung allein


2007 rund 44 Milliarden Euro Umsatz machten.


Die Festnahmen seien das Ergebnis "komplexer Ermittlungen der Anti-Mafia-Direktionen von Mailand und Reggio Calabria", sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft. Das besondere Interesse der


Ermittler aus Kalabrien und der Lombardei galt den Verbindungen der 'Ndrangheta zum Norden des Landes, ihren Handelsverbindungen und der Infiltration von Behörden und Unternehmen, den


Kontaktleuten in Politik und Geschäftswelt. Allein in der Region Kalabrien habe es 120 Festnahmen gegeben.


Die Erkenntnis der Ermittler: Es gibt ein Spitzenorgan, das über die Struktur herrscht und die wichtigsten Entscheidungen abnickt. Darüber hinaus gibt es mit "La Lombardia" einen


Zusammenschluss der Gruppen, die im Norden Italiens aktiv sind. Diese verfügt über eine Art Kontrollkommission die zwischen Lombardei und Kalabrien vermittelt - und zunehmend Ansprüche


anmeldet.


Ein Fall aus dem Jahr 2008 illustriert der "Repubblica" zufolge diesen strukturellen, ja "genetischen" Wandel der Organisation: Am 14. Juli wurde der 60-jährige Carmelo Novella, seines


Zeichens "Separatist" und Freund einer größeren Autonomie der "Lombardia", in einer Bar in San Vittore Olona getötet. Was zunächst als Folge einer Fehde um die Verteilung von Bauaufträgen


aussah, wurde bald als Auftragsmord der Zentrale gedeutet. Novella selbst hatte vor seinem Tod erklärt, die Männer im Norden würden "alles selbst machen" - also ohne die explizite Zustimmung


des kalabrischen "Mutterhauses" in Reggio.


Auch zwei Videosequenzen sollen von den Staatsanwälten Ilda Boccassini und Giuseppe Pignatone analysiert worden sein - und die Ermittler an Szenen aus dem Film "Der Pate" erinnert haben. Der


erste Film wurde laut "Repubblica" in Paderno Dugnano gedreht, während einer Veranstaltung, bei der Mafiosi ihren "Mastro generale", den neuen Vorsitzenden der "Lombardia", Pasquale Zappia,


wählten - einstimmig und per Handzeichen. "Wir müssen an die Dinge denken, die uns vereinen, nicht trennen", mahnt der Boss Pino Neri anlässlich des Treffens. "Wir alle haben dasselbe


Ziel", zitiert die Zeitung "Il Fatto Quotidiano" am Dienstag aus den Ermittlungsakten.


Auch Neri wurde im Rahmen der Operation festgenommen. Er soll Wahlen zu Gunsten des Abgeordneten der Berlusconi-Partei "Volk der Freiheit", Giancarlo Abelli, manipuliert haben.


Das zweite Video soll im südkalabrischen Aspromonte bei einem Treffen der Bosse aus der Region gedreht worden sein. Insgesamt seien etwa 40 solcher Treffen dokumentiert, hieß es.


Auch in den USA soll es im Zusammenhang mit der Operation Festnahmen gegeben haben. In den vergangenen Wochen waren der italienischen Polizei immer wieder Fahndungserfolge gegen die Mafia


gelungen. Erst am Montag hatten Mafia-Jäger bei zwei Razzien gegen die 'Ndrangheta und die neapolitanische Camorra Milliarden-Werte konfisziert.


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