Gleichstellung: frauen holen auf - doch sie überholen noch nicht
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------------------------- * * X.com * Facebook * E-Mail * * * X.com * Facebook * E-Mail * Messenger * WhatsApp * Dieser Beitrag stammt aus dem SPIEGEL-Archiv. Warum ist das wichtig? Männer
und Frauen sind in Deutschland gleichberechtigt - die Politik ist per Grundgesetz dazu verpflichtet diesen Grundsatz umzusetzen. Als Leitmotiv hat die Bundesregierung sich dabei in ihrem
Gleichstellungsbericht 2017 vorgenommen, dass Frauen und Männer die gleichen Verwirklichungschancen haben sollen. Das heißt unter anderem, dass sie die gleichen Chancen auf Jobs,
Führungspositionen und Gehälter haben sollen wie Männer. In den vergangenen Jahren hat die Bundesregierung deshalb etwa das Elterngeld eingeführt, eine Geschlechterquote in Unternehmen
durchgesetzt und das Entgelttransparenzgesetz beschlossen. Familienministerin Franziska Giffey will die beschlossene Frauenquote für Unternehmen nun auch auf Vorstände ausweiten. Große
deutsche Unternehmen sollten demnach mindestens eine Frau in den Vorstand berufen. Widerstand gegen dieses Vorhaben gab es prompt: aus der Union. "FORTSCHRITTE VOLLZIEHEN SICH MEIST
SEHR LANGSAM" Die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung hat nun in einer Datenanalyse untersucht, inwieweit beide Geschlechter in den Bereichen BILDUNG, ERWERBSARBEIT, EINKOMMEN,
ZEIT, SORGEARBEIT UND MITBESTIMMUNG die gleichen Lebensbedingungen haben. Dazu haben die Forscher verschiedene Datenquellen ausgewertet, wie die Beschäftigungsstatistik der Bundesagentur für
Arbeit und Daten des Statistischen Bundesamtes. Das Ergebnis: Zwar haben Frauen vor allem in den Bereichen Bildung, Erwerbstätigkeit und soziale Absicherung in den vergangenen Jahren
aufholen können. Ein Grund dafür war etwa der Ausbau öffentlicher Kinderbetreuung. Dennoch ist die durchschnittliche berufliche, wirtschaftliche und soziale Situation von Frauen weiterhin
oft schlechter als die von Männern. "Der Rückstand der Frauen wird in wichtigen Bereichen kleiner. Aber Fortschritte bei der Gleichstellung vollziehen sich meist sehr langsam",
sagt Forscherin Karin Schulze Buschoff, die die Studie zusammen mit Yvonne Lott sowie Svenja Pfahl und Dietmar Hobler für die Hans-Böckler-Stiftung erstellt hat. * So sind Frauen und Männer
etwa GLEICH GUT QUALIFIZIERT. Frauen haben Männer bei der schulischen Bildung sogar überholt. Doch sie gehen in verschiedene Berufsfelder. Frauen erlernen häufiger als Männer einen Beruf im
Dienstleistungsbereich und seltener im Handwerk. Von den 25 wichtigsten Ausbildungsberufen sind zwölf männlich, aber nur sechs weiblich dominiert. * Zwar sind IMMER MEHR FRAUEN ERWERBSTÄTIG,
doch die Erwerbstätigenquote der Männer liegt immer noch sieben Prozent höher. * Das liegt vor allem daran, dass Frauen einen deutlich HÖHEREN ANTEIL AN UNBEZAHLTER ARBEIT als Männer
leisten, selbst wenn sie erwerbstätig sind (und sogar dann, wenn sie Vollzeit arbeiten). So pflegt jede zehnte Arbeitnehmerin und jeder dreizehnte männliche Arbeitnehmer Angehörige. Im
Durchschnitt wenden pflegende Frauen mehr Zeit für die Pflege auf als pflegende Männer. * Der Gender-Pay-Gap ist in den vergangenen Jahren leicht zurückgegangen, liegt aber mit 21 Prozent
immer noch deutlich über dem europäischen Durchschnitt. Immer noch tragen vollzeitbeschäftigte Frauen ein deutlich HÖHERES NIEDRIGLOHNRISIKO als vollzeitbeschäftigte Männer. * Die
Gehaltsunterschiede ergeben sich unter anderem daraus, dass "typisch weibliche" Berufe, etwa im Pflege- und Gesundheitsbereich, meist schlechter bezahlt werden als technische
Berufe, in denen Männer dominieren. * Es arbeiten immer noch deutlich MEHR FRAUEN IN TEILZEIT ALS MÄNNER: Fast jede zweite Frau, aber nur jeder zehnte Mann arbeitet wöchentlich weniger als
32 Stunden. * Frauen erhalten durchschnittlich ein 53 Prozent niedrigeres Alterseinkommen als Männer, wenn man gesetzliche Rente, betriebliche und private Alterssicherung zusammen
betrachtet. * Eine POSITIVE ENTWICKLUNG GIBT ES BEI DER KINDERBETREUUNG: Die Ganztagsbetreuungsquote von Kleinkindern in Deutschland ist in den letzten zehn Jahren stark angestiegen. * Bei
der MITBESTIMMUNG IN GROSSEN UNTERNEHMEN sieht es für Frauen immer noch schlecht aus: Frauen besetzen nur 27 Prozent aller Aufsichtsratsmandate und nur acht Prozent aller Vorstandsvorsitze
in den 160 größten deutschen börsennotierten Unternehmen. Die Große Koalition hat also noch einiges vor sich, wenn sie gleiche Lebensbedingungen der Geschlechter erreichen will. Die Forscher
sind sich einig: Es gehe deutlich schneller voran, wenn die Politik mit Investitionen oder verbindlichen Regulierungen nachhelfe. Das zeige sich an der Kinderbetreuung und der Quote für
börsennotierte Unternehmen: So stieg der Frauenanteil in den Aufsichtsräten der 160 größten börsennotierten Unternehmen mit der Einführung der Geschlechterquote bis 2018 auf gut 30 Prozent.
In nicht mitbestimmten Unternehmen, in denen keine Quote gilt, lag der Anteil bei knapp 20 Prozent. Die Forscher haben auch Vorschläge, wie sich die Situation verbessern könnte. So empfehlen
sie stärkere Anreize für Männer, Sorgearbeit zu übernehmen, etwa durch eine schrittweise Erweiterung der Partnermonate im Elterngeld auf sechs Monate. Auch eine finanzielle Aufwertung
frauendominierter Berufe im Sozial-, Erziehungs- und Gesundheitsbereich sei sinnvoll, um diese für beide Geschlechter attraktiver zu machen.