Spiel des lebens: der traum vom fussballprofi


Spiel des lebens: der traum vom fussballprofi

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------------------------- * * X.com * Facebook * E-Mail * * * X.com * Facebook * E-Mail * Messenger * WhatsApp * Dieser Beitrag stammt aus dem SPIEGEL-Archiv. Warum ist das wichtig? Als


15-Jährige kickten sie in der B-Jugend des Fußballvereins TuS Paderborn- Neuhaus und gewannen den Westfalen- Pokal, dann wurden sie in die U 15 Auswahl der Nationalmannschaft berufen und


durften für Deutschland spielen. Die Erwartungen an sich selbst und die Karriere waren groß - doch das Leben hatte offenbar andere Pläne mit den drei sportlichen Hoffnungsträgern. Stefan


Runte, die Nummer 14, ist nach einer schweren Krebserkrankung heute froh, überhaupt noch am Leben zu sein und wieder Fußball spielen zu können - einfach nur so, zum Spaß. Er hat sich


inzwischen für ein Maschinenbau- Studium entschieden. Auch Frank Paprotta, die Nummer 15, konnte die Hoffnungen seines Vaters, eines italienischen Gastarbeiters, auf eine Profikarriere nicht


erfüllen. Er arbeitet in einer Firma für pharmazeutische Produkte, kickt in seiner Freizeit aber weiterhin in einem Verein der Verbandsliga. Matthias Kopp schließlich, die Nummer 8,


absolvierte als einziger ein Spiel der Nationalmannschaft im legendären Londoner Wembley-Stadion. Er arbeitet heute als Unternehmensberater und will mit Fußball eigentlich nichts mehr zu tun


haben. SPIEGEL TV-Autor Rouven Rech, einst Torwart des siegreichen Westfalen- Pokalsiegers und heute Student an der Filmakademie in Ludwigsburg, hat den Lebenslauf seiner drei früheren


Mannschaftskameraden nachgezeichnet. Er fragte sie nach ihren Träumen, Hoffnungen und Enttäuschungen, beobachtete ihr heutiges Leben, sprach mit Eltern und Lebenspartnern der drei und traf


den ehemaligen Jugendobmann des TuS Paderborn. Anton Förster weiß, dass nur die wenigsten Kicker mit dem Sport ihren Lebensunterhalt verdienen können: "Es ist gefährlich, auf Fußball zu


setzen, sehr gefährlich." ------------------------- FRANK PAROTTA: "AM GANZEN KÖRPER GEZITTERT VOR EHRGEIZ" Trainer und Förderer der Nummer 15 des Teams war Parottas Vater


selbst, der alles tat, um seinem Sohn den Weg in den Fußball-Olymp zu ebnen. Der große Wille zum Erfolg übertrug sich offenbar auf den Teenager - er verpasste kein einziges Training und


bekam sogar ein Angebot von Schalke 04. "Ich war so ehrgeizig, dass ich am ganzen Körper gezittert habe, als ich das Trikot der Nationalmannschaft zum ersten Mal anhatte," gesteht


der 29-Jährige heute lachend. Auch sein ehemaliger Betreuer Förster lobt Frank als einen, der Zweikämpfe gewinnen konnte - wichtigste Voraussetzung für einen Spieler in der oberen Liga. Von


ganzem Herzen bedauert Parotta Senior daher den Rückzug seines Sohnes vom Sport: "Er hätte viele Vorteile als Profispieler gehabt und ein ganz anderes Leben führen können als ich,"


so der ehemalige Gastarbeiter aus Italien. Frank hingegen ist mit seinem Dasein durchaus zufrieden. Er ist glücklich verheirateter Vater von zwei Kindern und arbeitet zurzeit in der


Logistikabteilung eines Pharmaunternehmens. In seiner Freizeit spielt er weiterhin Fußball, wenn auch nur in der fünften Liga. ------------------------- REGISSEUR ROUVEN RECH: "FÜR GANZ


OBEN HAT ES NICHT GEREICHT" Rouven Rech spielte in der Jugendliga des TuS Paderborn- Neuhaus und blieb dem Fußball bis zu seinem 25. Lebensjahr treu. Bei vier Spielen in einer Woche


investierte der Paderborner viel Zeit in seinen Traum, Profispieler zu werden. "Ich habe so hoch gespielt wie ich konnte", bekennt der ehemalige Torwart, "aber es hat nicht


gereicht für ganz oben." Vielleicht habe es ihm schlicht an Talent gemangelt, vermutet Rech. Aber schließlich gebe es immer Spieler, die besser und jünger seien als man selbst. Wer


allerdings das Gefühl habe, es nicht mehr zu schaffen, müsse eine bewusste Entscheidung für oder gegen den Sport treffen. Ob er das Gefühl habe, in seiner Jugend etwas verpasst zu haben?


"Ich habe immer Prioritäten gesetzt und auch mal den Urlaub verlängert, obwohl ich beim Training hätte sein müssen," erzählt Rech Achsel zuckend. "Mir war das einfach


wichtiger." Mit der Liebe zum Film begann für den 29-Jährigen die unsportliche Phase seines Lebens: Rech studierte Medienwissenschaft an der Hochschule für Film und Fernsehen in


Potsdam-Babelsberg, bevor er im Oktober 2002 für einen Aufbaustudiengang an die Filmakademie Baden-Württemberg nach Ludwigsburg ging. Beim Umzug fand er ein altes Foto der ehemaligen


Fußball-Freunde und fragte sich, was wohl aus den Team-Kollegen von einst geworden sei. Er machte sich auf die Suche nach Frank Parotta, Stefan Runte und Matthias Kopp. Die damals


15-Jährigen zählten einst zu den 15 besten Fußballspielern ihres Jahrgangs in ganz Deutschland. Doch trotz jahrelangen Trainings und zahlreichen Vereinswechseln gelang keinem der drei


Jugendnationalspieler der Wechsel ins Profilager. "Das," so der Jugendleiter des TUS Paderborn, Anton Förster, lakonisch, "schafft sowieso nur einer von hundert."


------------------------- STEFAN RUNTE: WENN DIE KRANKHEIT PERSPEKTIVEN VERSCHIEBT Die Nummer 14 der Mannschaft galt als talentierter Spieler, der sogar Angebote von Arminia Bielefeld und


Bayer 04 Leverkusen erhielt. Stefan selbst bezweifelt, je ein guter Techniker auf dem Rasen gewesen zu sein - ein guter Läufer allerdings durchaus. Nie habe er daran gedacht, je in der


Junioren-Nationalmannschaft zu spielen, erklärt er seine Erwartungshaltung von damals. Und will auch heute nicht darüber nachdenken, was gewesen wäre, wenn er die viel versprechenden


Angebote der Vereine angenommen hätte. Denn Stefan kam das Schicksal dazwischen: Mit 19 Jahren erkrankte er an akuter lymphatischer Leukämie und musste sich einer eineinhalb Jahre dauernden


Therapie unterziehen. Lungenentzündung und Chemotherapie setzten ihm hart zu. "Wenn die Bettnachbarn im Krankenhaus an Krebs sterben, beschäftigt man sich nicht mehr mit Fußball,"


erklärt er seine Stimmung zu jener Zeit. Heute empfindet der sympathische Paderborner die Krankheit als einschneidendes Erlebnis, das er im Nachhinein nicht missen möchte. Zwar ist Stefan


nicht mehr der Schnellste auf dem Feld, er freut sich jedoch über jeden Moment, den er mit Kicken verbringen kann. Vor kurzem hat Runte sein Grundstudium in Maschinenbau abgeschlossen.


------------------------- MATTHIAS KOPP "KEIN TRAUM, SONDERN ALLENFALLS EIN OPTION" Seine Freundin bezeichnet ihn als sehr rationalen Menschen und in der Tat schaut Matthias Kopp


mit nüchternem Blick auf einen seiner größten Erfolge zurück: Das Spiel der Jugend-Nationalmannschaft im Londoner Wembley-Station. Das sei eine schöne Erfahrung gewesen, aber schließlich


handele es sich bei Wembley um eine Arena wie viele andere auch. "Es ist nur traurig, dass ich nicht erreicht habe, was ich glaubte zu können, nämlich Profispieler zu werden," so


der heutige Unternehmensberater lakonisch. Und doch hat Kopp sein Trikot von damals bis heute nicht entsorgt und wird es wohl auch in Zukunft aufbewahren. Torwart Rech vermutet, dass sein


ehemaliger Teamkollege dem Fußball in Wirklichkeit sehr viel mehr Bedeutung zumaß, als er heute zugibt. "Matthias war ein sehr talentierter Spieler", erinnert sich Rech, während


Ex-Jugendobmann Förster kritisiert, dass Kopp stets etwas zu langsam gewesen sei. Der versucht derweil, Frieden mit seiner sportlichen Vergangenheit zu machen: "Profispieler zu werden,


war kein Traum, sondern allenfalls ein Option." Zusammen mit Rouven reiste er nach London, um das Wembley-Stadion kurz vor seinem endgültigen Abriss noch einmal zu besuchen.