Mysteriöses raumschiff: us-luftwaffe schickt zweiten mini-shuttle ins all
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April 2010 war womöglich der Beginn einer neuen Ära: Erstmals schickte die US-Luftwaffe ein unbemanntes Raumschiff ins All, das vollautomatisch wieder landen konnte. Volle sieben Monate
blieb die "X-37B" im Orbit, ehe sie im Dezember ihre Mission abschloss. Beobachter argwöhnten, dass der Flug den Beginn der Weltraumrüstung markieren könnte. Jetzt hat die U.S. Air
Force das zweite ihrer beiden "X-37B"-Exemplare ins All geschossen. Die Atlas-V-Rakete mit dem Shuttle an der Spitze hob am Samstag um 23.46 Uhr deutscher Zeit vom Weltraumbahnhof
Cape Canaveral ab. Der Start hatte sich wegen schlechten Wetters um einen Tag verzögert. Was die erste "X-37B", die äußerlich wie eine Mini-Ausgabe des Space Shuttles wirkt,
vergangenes Jahr während ihres langen Aufenthalts in der Umlaufbahn getan hat, blieb ein Geheimnis. Die US-Luftwaffe erklärte nebulös, das "Orbital Test Vehicle" (OTV) diene als
Machbarkeitsstudie und Plattform für Experimente. Womit genau man experimentieren wollte, blieb allerdings offen. Lediglich von Navigations- und Flugleitsystemen, Hochtemperatur-Materialien
und Dichtungen war die Rede. Gerüchte gab es deshalb zuhauf: Die "X-37B", so spekulierten Beobachter, könnte andere Länder ausspionieren und deren Satelliten inspizieren, einfangen
oder zerstören. Auch von einem Einsatz als Waffenplattform war anfangs die Rede, obwohl inzwischen weitgehende Einigkeit unter Fachleuten zu herrschen scheint, dass das Raumschiff dazu kaum
geeignet ist. ZU KLEIN FÜR DEN KRIEGSEINSATZ Dazu sei es schlicht zu klein, schrieb etwa Brian Weeden, Ex-Mitarbeiter der Air Force und jetzt bei der "Secure World Foundation", in
einem Report über die Fähigkeiten der "X-37B". Der Mini-Shuttle ist rund neun Meter lang, sein Laderaum ist nicht größer als der eines Pick-up-Trucks und sein Startgewicht beträgt
fünf Tonnen. Damit ist er ein wahrer Winzling neben einem Space Shuttle, der viermal so lang ist und beim Start bis zu 109 Tonnen auf die Waage bringt. Zudem ist die "X-37B" nicht
gerade unauffällig. Selbst Amateurastronomen waren in der Lage, den Orbiter während seines ersten Trips zu orten und zu fotografieren. "Deshalb wird es kaum möglich sein, dass die
'X-37B' sich heimlich an fremde Satelliten heranschleicht", sagte Weeden dem Onlinedienst "Space.com". Auch der langwierige Landeanflug - die "X-37B"
segelt wie ein Space Shuttle ohne Antrieb zur Erde - spreche eher gegen eine militärische Anwendung, da das Raumschiff in dieser Phase äußerst verwundbar sei. Die Wahrscheinlichkeit, dass
die "X-37B" vom Orbit aus Ziele auf dem Boden angreifen könne, liege "mit heutiger Technologie praktisch bei Null", so Weeden. Dass der Shuttle gänzlich friedlichen
Zwecken dient, gilt allerdings als ebenso unwahrscheinlich. Zum einen wird allgemein bezweifelt, dass die Air Force in Zeiten knapper Kassen mehrere hundert Millionen Dollar in ein
fliegendes Labor stecken würde. Zudem würde eine unbemannte Plattform, die monatelang im Orbit bleiben kann, "einem alle möglichen Fähigkeiten verschaffen - sowohl zivile als auch
militärische", sagte Chris Hellman vom National Priorities Project dem US-Magazin "Christian Science Monitor". Weeden hält es für wahrscheinlich, dass an Bord des OTV
Spionagetechnik des National Reconnaissance Office (NRO) getestet wird. Die Behörde ist für den Betrieb der US-Aufklärungssatelliten verantwortlich. WARNUNG VOR ZU VIEL GEHEIMNISKRÄMEREI Für
riskanter halten Beobachter die Geheimnistuerei selbst. Egal, ob die "X-37B" ein "machtvolles militärisches Instrument" sei oder vollkommen friedlichen Zwecken diene -
"die Ungewissheit selbst könnte ein strategisches Risiko darstellen", schrieb der Rüstungsexperte David Axe auf der Website "The Diplomat". Derzeit ist kein anderes Land
in der Lage, ähnlich präzise wie die USA die Aktivitäten seiner Konkurrenten im Orbit zu verfolgen. Wenn etwa Russland oder China Weltraumtechnologie einsetzten, die sowohl militärisch als
auch zivil eingesetzt werden kann, "können die Amerikaner feststellen, ob es sich um einen feindlichen Akt handelt", erklärt Weeden. Wenn die USA aber ein Raumschiff wie die
"X-37B" starten, könne niemand genau wissen, was vor sich gehe. "Das schafft ein Problem", meint Weeden. Dass andere Staaten das Treiben der Amerikaner argwöhnisch
verfolgen, zeigt schon die Tatsache, dass die Chinesen sich offen gegen eine Verwendung von Raumschiffen ausgesprochen haben, die fremde Satelliten inspizieren können. Dass Washington diesen
Wunsch offensichtlich ignoriert hat, werten Beobachter auch als potentielle Antwort darauf, dass die Chinesen im Januar 2007 einen ihrer veralteten Wettersatelliten abgeschossen hatten. Die
umstrittene Aktion galt damals als möglicher Beginn zu einem Wettrüsten im Orbit.