„sie zeigen kein frauentennis“: debatte um nightsessions bei den french open spitzt sich zu
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Von insgesamt 52 Abendspielen in Paris durften nur vier von Frauen bestritten werden. Das führt zu scharfer Kritik an der Turnierleitung. Auch Deutschlands Nummer eins äußert sich. Von
Jannik Schneider Eva Lys blickte mit ernster Miene in die Presserunde. Keineswegs, weil sie zuvor in der zweiten Runde der French Open verloren hatte. Sportlich ist die beste deutsche
Tennisspielerin trotz der Niederlage auf einem guten Weg. Vielmehr verstimmte sie die wiederholt angesprochene Thematik in Paris – die Ungleichbehandlung von Frauen und Männern. Viele Worte
wollte die 23-Jährige nicht mehr verlieren. „Ich schließe mich dem, was Ons Jabeur gesagt hat, zu 100 Prozent an.“ Mit diesem Satz beendete die beste deutsche Tennisspielerin ihre
Presserunde, stand auf und verschwand in den Katakomben des berühmten Centre Courts Philippe Chatrier im Stade de Roland Garros, im 16. Arrondissement im Westen von Paris. Jabeur, Lys
Profitenniskollegin und ihres Zeichens ehemalige Wimbledonfinalistin, hatte Stunden zuvor mit ihren Aussagen zu den ungleichen Ansetzungen von Frauen- und Männermatches beim
Sandplatz-Höhepunkt des Jahres die Kritik an den Veranstaltern des französischen Tennisverbands weiter verstärkt. Seit dem abgeschlossenen Umbau 2021 führten die French Open zusätzlich zu
den unzähligen Matches am Tag auf mehr als einem Dutzend Plätzen Nightsessions in ihrem größten Stadion ein. Die bisherige Bilanz: Bislang wurden 52 „Nachtmatches“ in Paris ausgetragen
(Stand: 4. Juni), aber nur viermal stand ein Frauenmatch auf dem Abendprogramm für das Pariser Publikum. Bei der letzten Turnierauflage 2024 und im bisherigen Turnierverlauf 2025 spielten
sogar ausschließlich Männer zur „Primetime“. Empfohlener redaktioneller Inhalt An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für
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das immer noch erleben. In Europa ist es > bedauerlich für den Frauensport im Allgemeinen. ONS JABEUR, Wimbledon Finalistin von 2022, kritisiert die mangelnde Repräsentation des
Frauentennis In vielen Sportarten werden solche Handhaben, zum Leidwesen weiblicher Sportlerinnen, noch immer als gegeben und normal angesehen. Der Tennissport war und ist Vorreiter für ein
modernes Frauenbild, Gleichberechtigung und „Equal Pay“. Dementsprechend hitzig wird die Debatte in der ersten Woche der French Open geführt. FRANZÖSISCHER TENNISVERBAND ZEIGT KEINE REUE
Der Präsident des französischen Tennisverbandes FTT, Gilles Moretton, machte sich zu Turnierbeginn nicht die Mühe zu verbergen, dass er dem Zeitgeist von 2025 nicht zustimmt. „Das Wichtigste
ist, dass der Sport an erster Stelle steht. Manchmal müssen wir für die Nightsession das bessere Spiel ansetzen“. Die Aussagen waren klar zu deuten: Die Männer liefern den besseren Sport.
Die Kritik an Morettons Aussagen ließ nicht lange auf sich warten. Am deutlichsten formulierte es eben Ons Jabeur. „Es ist traurig, dass wir das immer noch erleben. In Europa ist es
bedauerlich für den Frauensport im Allgemeinen. Wer auch immer die Entscheidung trifft, ich glaube nicht, dass er Töchter hat, denn ich glaube nicht, dass er seine Töchter so behandeln
will.“ Jabeur war mit ihrer Generalkritik aber noch nicht fertig: „Es ist ein bisschen ironisch. Sie zeigen keinen Frauensport, sie zeigen kein Frauentennis, und dann behaupten sie: ,Ja,
aber die Fans schauen hauptsächlich Männer‘. Natürlich sehen sie mehr Männer, weil man mehr Männertennis zeigt. Es ist eine Schande für den Verband, eine Schande für Amazon Prime, dass sie
einen solchen Vertrag abgeschlossen haben.“ TV-ANBIETER GERATEN IN KONFLIKT MIT DEN ORGANISATOREN In Frankreich hat Amazon Prime die Rechte für die Nightsession. Anders als bei den
Australian und US Open, bei denen Abends zumeist je ein Frauen- und ein Männermatch angesetzt werden, wird in Paris nur ein Spiel angesetzt und nur dafür eigene Tickets verkauft. Diese
starten bei 120 Euro aufwärts. Der Veranstalter, aber auch übertragende Sender wie der Streaminganbieter, teilen eine Befürchtung. Ein zu einseitig stattfindendes Frauenspiel könnte im Modus
von zwei Gewinnsätzen zu schnell vorbei sein. Während ein Match bei den Männern zumindest drei Sätze und in etwa zwei Stunden Unterhaltung garantiert. MINUTEN dauerte das „Nachtmatch“ von
Tommy Paul und Carlos Alcaraz Doch am Dienstag der zweiten Turnierwoche dauerten beide Frauenmatches vor überschaubarer Kulisse am Tag länger als der glatte Dreisatzsieg von Carlos Alcaraz
gegen Tommy Paul am Abend. Auch andere TV-Sender haben unter dem vermeintlichen Einfluss von Amazon Prime zu kämpfen. TNT sicherte sich die Rechte des Turniers für den amerikanischen Markt
für zehn Jahre und ließ sich das 650 Millionen US-Dollar kosten. Das amerikanische Viertelfinale zwischen der Australian–Open–Siegerin Madison Keys und US-Star Coco Gauff wurde in den frühen
Pariser Mittag mitten in die amerikanische Nacht gelegt. Eva Lys hatte bereits nach ihrem Erstrundensieg in Woche eins öffentlich durchblicken lassen: „Ich weiß, dass die Thematik nicht nur
mit Zuschauern, sondern ebenfalls mit der TV-Problematik zu tun hat. Es ist kein Geheimnis, dass die übertragenden Sender ihren Fokus eher auf Männermatches legen. Ich würde mir wünschen,
mehr Frauenmatches am Abend zu sehen.“ Hierbei könnte Turnierdirektorin Amelie Mauresmo Abhilfe schaffen. TURNIERDIREKTORIN MAURESMO KANN AUCH NICHT WEITERHELFEN Die 45-Jährige war
Weltranglistenerste, gewann Wimbledon, die Australian Open und eine Silbermedaille bei Olympischen Spielen. Vor allem aber stand sie früh öffentlich zu ihrer Homosexualität, coachte später
mit Andy Murray als erste Frau überhaupt einen der Topspieler bei den Männern. Mauresmo stand für Emanzipation. Dementsprechend groß waren die Erwartungen an die Französin, als sie vor
einigen Jahren zur Turnierdirektorin ernannt wurde. Die French Open sind in vielen Detailfragen besser geworden. Ausgerechnet beim Thema Gleichberechtigung wirkt Mauresmo defensiver, als sie
es zu aktiver Zeit je war. In einer allgemeinen Pressekonferenz in der ersten Turnierwoche wirkte Mauresmo teilweise unsouverän. Ihre Argumente gegen die Ausweitung der „Nightsession“ auf
zwei Matches. „Die Menschen aus Paris gehen gerne abends vorher Essen“. Außerdem wolle Mauresmo Berufstätigen die Chance geben, rechtzeitig im Stadion zu sein. Deswegen könnten Spiele nicht
vor 20.15 Uhr beginnen. Zudem fahre die Pariser Metro nur bis kurz vor eins nachts. Für Zuschauer sei ein zweites Match deshalb zeitlich nicht zumutbar. Spieler und Spielerinnen hätten bei
längerer Dauer der Matches weniger Schlaf- und Erholungszeit. Beide Argumente treffen auf Melbourne, wo Männer und Frauen abends ihre Daseinsberechtigung finden, ebenfalls zu. > Dass eine
Turnierdirektorin mit diesem Lebenslauf und Hintergrund, > die moderne Version des Frauentennis im Jahr 2025 so behandelt, ist > schrecklich. PAM SHRIVER, frührere Tennisspielerin,
kritisiert Amelie Mauresmo Die größere Problematik scheint der TV-Vertrag mit Amazon Prime darzustellen. In besagter Pressekonferenz gab Mauresmo zu, die Vereinbarung für den Abend beinhalte
„ein Match“. Warum sie so einen Vertrag abgeschlossen habe? „Ich bin nicht die Einzige, die den Vertrag unterzeichnet hat. Der Verband unterschreibt und gestaltet den Vertrag.“ Mauresmos
Beteuerungen, wie wichtig ihr Frauentennis sei, gingen in den weiteren kritischen Fragestellungen unter. Zudem attackierte Pam Shriver, in den 70er und 80er Jahren 20-malige Turniersiegerin
auf der Frauentour und eine der kritischsten Stimmen der Neuzeit, im „The Tennis Podcast“ Mauresmo scharf. STADION IST AUSVERKAUFT Mauresmo, eine Hall-of-Famerin, habe ihre rund 15 Millionen
Preisgeld plus Werbeverträge, Showmatches und alle weiteren Möglichkeiten, die sie bekommen habe, den „original nine“ um Billie Jean King all den anderen Vorreiterinnen zu verdanken. „Dass
eine Turnierdirektorin mit diesem Lebenslauf und Hintergrund, die moderne Version des Frauentennis im Jahr 2025 so behandelt, ist schrecklich. Es tut mir leid für die jungen Spielerinnen,
für die Töchter dieser Generationen. Denn sie können nicht ganz verstehen, was in den 70ern und 80ern los war, was diese Spieler durchgemacht und erkämpft haben.“ Laut Shriver habe Mauresmo
deshalb eine historisch verankerte Verantwortung. 1970 boykottierten Billie Jean King und acht weitere Spielerinnen trotz großem Risiko ein Turnier nach den US Open mit ungleichem Preisgeld
(Verhältnis 1:12); gründeten mit finanzieller Hilfe von finanzstarken Sponsoren eine Konkurrenztour, die als Vorreiter der heutigen WTA-Tour dient. Nach King fochten Chris Evert und Martina
Navratilova unzählige Kämpfe für Frauenrechte aus. Auch wegen dieser unzähligen Vorreiterinnen ist Tennis heute weit vorne beim Thema Gleichberechtigung. Sechs der zehn bestverdienendsten
Sportlerinnen des Jahres 2023 waren Tennisspieler. Der Erfolg der Nightsessions gibt den französischen Veranstaltern bislang genug Argumente, um an dem Vorgehen festzuhalten. Das Stadion ist
weitestgehend ausverkauft. Matches wie die von Publikumsliebling Gaël Monfils in Woche eins waren echte Hingucker. Zum Zeitgeist des Tennissports 2025, das versuchen die Vorreiterinnen des
Sports der Neuzeit in diesen Tagen von Paris deutlich zu machen, passt diese Organisation der French Open aber nicht mehr.