Wolfram weimer im kulturkampfgetümmel: sehschwach auf dem rechten auge
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In einem Gastbeitrag in der „Süddeutschen Zeitung“ teilt Kulturstaatsminister Wolfram Weimer gegen die deutsche Cancel Culture und Donald Trumps Kulturpolitik aus. Der Vergleich hinkt. Ein
paar Wochen ist es her, dass Wolfram Weimer zum Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien ernannt wurde, hie und da ward er seitdem gesehen. Seine ultimative Antrittsrede hat er
jetzt aber in der „Süddeutschen Zeitung“ gehalten. „Verteidigt die Freiheit“ ist Weimers Gastbeitrag überschrieben, und unbehaglich wird einem da schon bei der Unterzeile, die einen der
zentralen Sätze von Weimers Beitrag zitiert: „Die Korridore des Sagbaren, Erkundbaren und Darstellbaren gilt es zu weiten, anstatt sie zu verengen.“ Nicht nur, dass hier eine bis zum
Überdruss von den Rechten und Rechtsextremen verwandte Metapher leicht abgewandelt wird, die der „engen Meinungskorridore“; sondern dass es genau diese Rechten und Rechtsextremen sind,
namentlich die Verantwortlichen der AfD, die seit einem Jahrzehnt diese Korridore weiten, um einmal in Weimers schiefem Bild zu bleiben, vom „Vogelschiss in 1000 Jahren erfolgreicher
deutscher Geschichte“, den die NS-Zeit darstelle (Alexander Gauland), bis zu „Wir Deutschen sind ein besiegtes Volk“ (Alice Weidel). Nun geht es Weimer in seinem Beitrag primär um die
Freiheit der Kunst, die er durch ihre zunehmende Politisierung, ihre Inanspruchnahme und Knebelung von „linken als auch rechten Eiferern“ in Gefahr sieht. > Weimer liebt seine
Feindbilder. GERITT BARTELS über den Kulturstaatsminister Obwohl Weimer so tut, als bedenke er die Gefahr von rechts immer schön mit, scheint ihm die „freiheitsfeindliche Übergriffigkeit der
Linken“ ein größeres Anliegen zu sein: „In einem gesellschaftlichen Klima, dessen Taktung vom linken Alarmismus vorangetrieben wird, scheinen vorauseilender Gehorsam, Bevormundung und
Sprachwärtertum die Ultima Ratio zu sein.“ AUF DEM RECHTEN AUGE SEHSCHWACH Ein aktuelles Beispiel dafür (vielleicht sogar die Motivation für seinen Beitrag) ist ihm die Entfernung einer
Venus-Bronze-Kopie aus einer Berliner Behörde, die nun im Grassi-Museum in Leipzig ihre Heimat gefunden hat, also eher nicht gecancelt wurde. In Berlin stand sie übrigens ohne
Kontextualisierung: Sie stammt aus dem Besitz von Hermann Göring. Natürlich kann man es übertrieben finden, dass Menschen die Darstellung der nackten Venus als sexistisch wahrnehmen. Aber
daraus gleich einen „jakobinischen Bildersturm“ ableiten, wie Weimer es tut, und im selben Atemzug die „radikal-feministische, postkoloniale, ökosozialistische Empörungskultur“ geißeln? Puh.
Weimer liebt seine Feindbilder und beklagt, dass Differenzierung „keine Option“ mehr sei, will aber selbst kaum differenzieren. Brav und vermeintlich um Ausgleich auf der rechten Seite
bemüht, erwähnt er zweimal den Furor von Donald Trump (dessen Angriff auf Harvard, Buch- und Bilderverbote), die „rechten und rechtsradikalen bis rechtsextremen Kulturkampfreflexe“, scheint
aber hierzulande auf dem rechten Auge eine sehr verminderte Sehkraft zu haben. Seine Argumentation mündet in der „Ambiguität der Kunst“ und einer Beschwörung der „gesellschaftlichen Mitte“
und „des Bürgertums“, die sich nicht bevormunden lassen wollten. Dass das Bürgertum, wie es die Älteren vielleicht noch kennen, tatsächlich im Verschwinden begriffen ist, als solches sich
verändert und ausdifferenziert hat, ignoriert Weimer, obwohl er immerhin „gesellschaftliche Dynamisierungsprozesse“ erkennt. Die Mitte dürfe nicht an die Ränder verloren gehen, schreibt
Weimer, und bei solchen Aussagen liegt der Verdacht nahe, dass er in dieser Mitte auch problemlos die AfD-Wählerinnenschaft verortet. Freiheit ist ein dehnbarer Begriff, beweist Weimer und
wirft sich mit diesem Beitrag mitten in das von ihm herbeianalysierte Kulturkampfgetümmel. Selten gehe es darin tatsächlich um Kultur, behauptet er, sondern um Macht. Und als
Kulturstaatsminister scheint er diese nun ausüben zu wollen, frei dem Motto: Schlag die Linke!